3/19/2007

Neulich in der Schule

Was macht man, wenn man wenig zu melden, aber viel zu sagen hat? Richtig, man wird Politiker. Und wenn man nichts zu melden und nichts zu sagen hat? Richtig, man bloggt. Und genau das habe ich nun auch vor.
Mein Leben an sich ist eher unspannend, aber ich glaube manchmal hab ich den ein oder anderen vernünftigen Gedanken. Und die werde ich hier künftig einfach aufschreiben, vielleicht fühlt sich der ein oder andere Leser amüsiert, brüskiert oder zum Nachdenken animiert, mir soll alles recht sein. Vielleicht liest es auch keiner, dann hab ich es trotzdem wenigstens geschrieben und es hätte jemand lesen können, und amüsiert, brüskiert oder zum Nachdenken animiert worden sein. Auch das soll mir recht sein.

Neulich in der Schule, damit landen wir bei dem Thema dem ich mich heute widmen will. Bildung, das deutsche Schulsystem, Deutschunterricht und die Frage nach dem Warum.

Neulich in der Schule, das war letzten Freitag. Tag der offenen Tür an meinem alten Gymnasium. Da man über diverse auserschulische Aktivitäten durchaus andere Beziehungen zur Schule und den Lehrern aufbaut ist es für mich nicht weiter verwunderlich, dass ich auch Jahre nach meinem Abitur immer wieder dort lande. Diesmal hatte ich es mir Hauptsächlich in den neuen Physikräumen gemütlich gemacht, um Horden von 4. Klässlern zu beobachten, welche spielerisch, interessiert aber auch übermütig die dort aufgebauten einfachen Versuche erkundeten.
So niedlich und witzig das auch alles war drängte sich mir doch unweigerlich eine Frage auf: "Wie kommt es, dass diese Knirpse in 3-5 Jahren so ziemlich alles im Kopf haben, ausser den wichtigen schulischen Dingen, die sie eigentlich im Kopf haben sollten?"
Ist das eine biologische Notwendigkeit, die mit dem Alter verbunden ist? Wohl kaum, eine Untergruppe, der sogenannte Streber, scheint sich diesen Phänomenen durchaus entziehen zu können. Zudem gibt es ganze Kulturen, bei denen das in der Form nicht auftritt, vor allem im fernöstlichen Raum. Selbst andere Schulformen kommen damit zum Teil besser zu Rande.
Also ist es wohl doch diese einzigartige Mischung aus Bildung, Kultur, Werten, Normen, Vorstellungen, Träumen und Wünschen, die sich Persönlichkeit schimpft.
Die nächste Frage folgt damit auf dem Fuß, war das schon immer so? Ich habe mich mit einigen älteren Jahrgängen unterhalten, und bin der Meinung, ja, aber nicht so extrem. Eine Erklärung? Die gibts sicher von Experten, die sich dazu jahrelang die Köpfe zerbrochen und Literatur gewälzt haben. Ich kann nur eine Vermutung bieten, eine Meinung, die einen entscheidenden Nachteil hat: "Es ist meine."
Solche kleinen Probleme ignorierend werde ich sie trotzdem vorstellen (es ist einfach toll seinen eigenen Blog zu haben). Gesellschaften, und damit das ganze System von Kultur, Normen etc, entwickeln sich weiter. Technologien wie das Internet, höhere Lebensstandarts, andere Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, dies alles beeinflusst uns. Bilder, die vor 20 Jahren noch richtig waren können heute durchaus nicht mehr zutreffend sein.
Das ist ansich auch keine schlechte Sache, sofern man diese Dinge richtig einschätzt und entsprechend reagiert. Und da liegt dann auch der Hase im Pfeffer. Während die Kinder heute ganz anders sind wie vor 20 Jahren, sind die Lehrer und ihre Methoden noch immer die gleichen.
Die Forderung nach einer Rückkehr zu klassischen Werten ist nicht grundsätzlich falsch, aber Anpassung der Methoden erscheint mir leichter und erfolgversprechender als die Umkehr aller Trends der gesellschaftlichen Entwicklung.
Das Patentrezept habe ich auch nicht in der Tasche, da sollen sich Horden von Gesellschaftswissenschaftlern und Didaktikern die gelehrten Köpfe zerbrechen. Aber ich habe eine Idee. Motivation ist heute ein viel größerer Aspekt, die Konkurenz mit anderen Informationen eine Herausforderung. Was ist schon eine binomische Formel gegen die Wiedervereinigung der No Angels? Inhalte vorbeten ist nicht mehr genug, sie müssen schmackhaft gemacht werden.
Was wir brauchen ist eine neue Lust am lernen, nicht das alte Prinzip der Pflicht. Und der Schlüssel dazu ist Neugier. Die Frage nach dem Warum wird viel zu oft nicht gestellt, nicht angesprochen, nicht beachtet. Die größten Entdeckungen dieser Welt sind nicht gemacht worden, indem etwas auswendig gelernt und wiederholt wurde. Was nützt mir zu wissen, dass der zweite Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618 war, wenn ich keine Ahnung habe, wer wen warum aus dem Fenster geworfen hat. Lehrer und Vorgesetzte Bildungsgremien müssen umdenken und den Schülern mehr zutrauen.
Doch diese Verantwortung liegt nicht allein bei den Lehrern, die ganze Gesellschaft ist gefordert, die Idee der Informationsgesellschaft aufzunehmen, zu nutzen und zu leben.

Neulich in der Schule, das war in der Oberstufe im Deutschunterricht. Gedichtinterpretation, Gedichtvergleich, Thomas Mann, Franz Kafka und die Frage: "Wann haben wir angefangen mit dem Überinterpretieren?"
Vorneraus, ich möchte Generationen von Literaten nicht ihre Fähigkeiten absprechen, die Sprache als Instrument zu benutzen, über Probleme ihrer Zeit oder ihrer Persönlichkeit zu reflektieren, und dabei gezielt Stilelemente einzusetzen. Das läge mir fern, ich habe mich selbst an Gedichten und Geschichten versucht und muss vor vielen einfach den Hut ziehen und ihnen meine tiefste Bewunderung kundtun. Aber weisst der grüne Schaal der alten Großmutter der Hauptfigur wirklich auf die Frühlingsgefühle des Autors zu der Zeit des Schreibens hin, oder war Grün einfach die erste Farbe die ihm einfiel? Saßen die Leute wirklich stundenlang über ihren Sätzen oder rotieren sie im Grab wenn ein Deutschlehrer aus einem Satz ihre komplette Biographie ableitet? Ich glaube ja, die Anzahl der Zufälle ist deutlich höher als von den Lehrern allgemein dargestellt. Einiges wird sicher auch aus der Intuition der Schreiberlinge kommen, und ihnen vielleicht nicht mal selbst bewusst gewesen sein. Aber ich glaube nicht, dass alles so hochgradig konstruiert wurde, wie es nachher im Unterricht zerpflückt wird. Und das eigentlich bedauerliche daran ist ja sowieso, dass man ein Stück, welches man einmal bis ins kleinste Detail zerlegt hat danach schwerlich geniesen kann. Der Wert der Literatur geht in trockenen Analysen verloren, die Botschaft sollte so ankommen, wie sie meiner Meinung nach auch geschrieben wurde: "Halb unterbewusst, aber mit wachem Verstand."

Neulich in der Schule, das ging in Klasse 7 oder 8 los, und zog sich durch bis zum Schluss, jenes leidige Thema der deutschen Geschichte, das spätestens in der 10. Klasse kein Schüler mehr hören kann und das gleichzeitig das Ende der gymnasialen Geschichtsschreibung repräsentiert: "Das 3. Reich".
Ausmaß, Bedeutung und Einfluss dieser Zeit sind mir völlig klar, aber reicht das wirklich um beinahe sämtliche gesellschaftswissenschaftliche Fächer 5 Jahre damit zu befüllen? Entsteht nicht aus diesem Informationsbombardement letztendlich das was man damit eigentlich vermeiden will, Desinteresse und Gleichgültigkeit? Neulich war ich recht schockiert herauszufinden, dass nicht wenige Leute mit Abitur oder Realschulabschluss mit dem Begriff RAF nichts anfangen könnnen. Im Zuge der Begnadigungen kam das Thema ja mal nach Jahren wieder auf den Tisch, und die Unwissenheit mancher ist echt erschreckend. Aber nach ein wenig Nachdenken war mir das schnell klar, deutsche Geschichte nach 1950 scheint für gymnasiale Ansprüche zu unwichtig zu sein, und wertvolle Zeit zu rauben, die man für "Das 3. Reich, Auflage 2134" braucht. Ein Menschenleben nach diesem Kapitle der Geschichte wäre es doch wirklich mal an der Zeit, ein realistisches Verhältnis dazu aufzubauen und von Abschreckung und Panikmache weg zu kommen, um anderen wichtigen Themen ihren Platz im Lehrplan einzuräumen.

Eine Menge Gedanken auf einmal, daher mache ich an dieser Stelle erstmal Schluss und melde mich demnächst mit Gedanken zu einem neuen Thema. Macht euch eine schöne Zeit bis dahin liebe Leser, seid spontan, macht mal was verrücktes und genießt die Zeit mit euren Lieben.